Advert, small report on the gala premiere in Vienna and an extensive review of Metropolis.
8. Februar 1927
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Ufa
Der Monumentalfilm Metropolis
Regie: Fritz Lang
Manuskript: Thea v. Harbou
In den Haubtrollen:
Brigitte Helm
Alfred Abel
Erwin Biswanger
Heinrich George
Gustav Froelich
Rudolf Klein-Rogge
Theodor Loos
Fritz Rasp.
Ab heute Dienstag ausschiesslich in den Ufa-Premierentheatern:
Burg-Kino
I., Opernring 19
Kärtner-Kino
I., Johannesgasse 3
Central-Kino
II., Taborstrasse 8
Löwen-Kino
III., Löwengasse 33
Maria-Theresien-Kino
VII., Mariahilferstrasse 70.
8. Februar 1927
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Galapremiere des "Metropolis"-Film.
Gestern nacht fand im Löwen-Kino die Wiener Premiere des vielbesprochenen und vielumstrittenen "Ufa"-Monumentalfilms "Metropolis" statt, der bekanntlich een Werk Fritz Langs, des Nibelungen-Regisseurs, ist und dessen Manuskript von Langs Gattin Thea v. Harbou stammt. Die Wiener Erstaufführung hatte gleich der Berliner Uraufführung die Form einer solennen Galapremiere, zu der nur geladene Gäste Zutritt hatten. In den festlich dekorierten Logen bemerkte man den Bundespräsidenten Dr. Hainisch, in Vertretung des deutschen Gesandten Generalkonsul Vivenot, den Vizekanzler Dinghofer, Landeshauptman Buresch, Minister Schürff, Präsidenten Waber, die Minister a.D. Heinl und Mataja, den Generaldirektor der Berliner "Ufa" Bausback, zahlreiche prominente Vertreter der Wiener Filmindustrie, der Kunst und der Gesellschaft.
Die Vorführung des Films begann um ¾9 Uhr und war um ½12 Uhr zu Ende. Das Publikum folgte mit gespannter Aufmerksamkeit den durch eine von Huppertz eigens komponierte Musik wirksam untermalten Bildern, die durch ihre Monumentalität und durch die verbluffende Höhe ihrer Technik vielfach einem förmlich den Atem versetzten. Es mag dabei nur wenigen zum Bewusstsein gekommen sein, wie grossen Anteil hiebei die Verwendung des genialen Schüfftanschen Trickverfahrens gehabt hat. Trotz alledem ist das Wiener Publikum anscheinend nicht recht warm geworden bei diesem Film. Der Beifall am Schlusse des Werkes war geradezu kleinlaut. Wir werden auf den Film hinsichtlich der Frage seines künstlerischen Wertes noch zurückkommen.
9. Februar 1927
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Der Wunderfilm "Metropolis".
"Mittler zwischen Hirn und Händen ist das Herz." Motto für das ungeheuerliche Werk der Technik, das hier geschaffen wurde, ethische Rechtfertigungsformel für den Triumph der Maschine und Entschuldigung der allzu schlichten Mechanik des dramatischen Unterbaues.
Was die Phantasie der Schriftstellerin Thea von Harbou, nach deren Buch dieser Film gedreht wurde, beisteuert, ist nicht sonderlich neu: Zukunftstadt in einer vollkommen mechanisierten Welt, die Massen als Handlanger des Molochs aus Stahl und Eisen, uniformgrau, die Oberschicht der Arbeitgeber weiss, individualistisch, freudig, strahlend. Die einen hausen tief unter der Erde, die anderen wandeln "uber ihr im Licht. Björnson, auch Claude Farrère standen für den Auftakt des Geschehens Paten, dem unausbleiblichen Konflikt zwischen Oben und Unten. Auch, dass alsbald ein Herz sich anschickt, Mittler zu werden im Kampf zwischen Hell und Dunkel, tut wohl auf dem Theater, das die derbe Hirnbedingtheit des Lebens herzlich gerne umlügt. Ein schönes Mädchenherz insonderheit siegt da auf allen Linien.
In Metropolis, der Ueberstadt, schlägt es in der Brust der Tochter eines einfachen Arbeiters. Maria, ein Wunder an Liebreiz führt den Sohn des Gebieters über die Arbeitssklavenherde zur Erkenntnis, dass etwas geschehen müsse, um eine Versöhnung zwischen Oben und Unten herbeizuführen. Wie dies möglich sein könne, erfahren wir nicht, doch sehen wir die entschlossene Gebärde der beiden jungen Menschen, hören die liebliche Maria, von Kindern umschwärmt, erzählen, dass der "Mittler" kommen werde. Bibelanleihe: Das Reich ist nah. Der junge Mann folgt der Geliebten in die Unterstadt, bedient selbst die Hebel der Maschinen, bekommt eine Ahnung von dem Leben der grauen Masse. Aber da haust auch ein dämonischer Erfinder, eine Art Doktor Mirakel, in einem Laboratorium. Er schafft an der Erzeugung eines künstlichen Menschen, raubt aus Gründen, die nur filmtechnisch, keineswegs psychologisch bedingt sind, das Mädchen Maria und transponiert durch elektrische Ströme deren Leiblichkeit in den Automaten. Eine zweite künstliche Maria ersteht, die der menschlichen im Aeusseren volkommen gleicht. Im Inneren freilich hat diese Homunkula den Trieb zum Bösen, statt des guten Herzens ihres Vorbildes. Warum, können wir gleichfalls nicht enträfeln. Aus mystischen Gründen wird der Automat auf die Arbeiter losgelassen und hetzt - Verkörperung des sinnlos Bösen - diese zur Vernichtung der Maschinen, zur Zerstörung der Stadt auf. Sie folgen willig und sind völlig zwecklos bereit, sich damit selbst zu morden. Nach der Zerstörung der "Herzmaschine" brechen Wasserfluten über Metropolis herein. Alles droht zu ertrinken. Die wirkliche Maria aber rettet die Kinder, den Liebsten und sich. Ihr künstliches Ebenbild wird gepackt und auf einem Scheiterhaufen verbrannt, wobei die fleischliche Hülle des Automaten abfällt und eine stählerne Puppe sichtbar wird. Die gute Maria aber verkündet, indem sie die Hände eines Werkmeisters und die des Oberherren zusammenfügt, keineswegs zwingend, den nach unendlichen Greueln erschienenen Mittler: das Herz.
Kann man demnach - wie dies in diesem Blatte anlässlich der Berliner Uraufführung des Films schon ausfürlich begründet wurde - dem Werke in in seinem dramatischen Unterbau kaum anderes als eine grelle Verwirrtheit der Handlung nachsagen, so ist die Arbeit des Regisseurs, seine künstlerischen und technischen Helfer schlechterdings genial, die Leistung der Schauspieler bedeutend, die Leitung der Komparserie - es haben 25.000 Menschen mitgewirkt - einfach verblüffend. Was in "Metropolis" mit technischen Mitteln erreicht wurde, ist wirklich "noch nicht dagewesen", Bild um Bild, von der Gigantomachie phantastisch rotierender Maschinen in Riesenräumen bis zur Wiedergabe der Zukunftsstadt, der Gärten, der "Oberen", den finsteren Schächten der "Unteren", prägt sich unvergesslich ein. Unvergesslich das Toben der entfesselten Masse hinter der "Mittlerin" und ihrem spukhaften Spiegelbild, der "mechanisch Bösen". Unvergleiglich die subtile Mimik des überaus holden Mädchenantlitzes Brigitta Helms, der Darstellerin der Maria, die der schwierigen Rolle, Dämon und Engel gleichsam in einem zu sein, durch ein gespenstiges Spiel der Augen gerecht wird. Wasser und Feuer, das "gross' und kleine Himmelslicht" elektrischer Sonnen, Hebel und Schrauben, Kolben und Räder, sind in keinem Augenblendwerk noch so glücklich in den Dienst des Schauspieles gestellt worden. Die Szene, da der stählerne Automat aus Lichtbündeln, aus Dampf- und Retortengebrodel zum lebendigen Menschen sich wandelt, ist von atemraubender Unheimlichkeit, auch für solche, deren Atem Tricks gegenüber gemeiniglich ruhig bleibt.
"Metropolis" nimmt seinen Weg durch die ganze Welt. Das gewaltige Lichtspiel wird den Millionen, die es bestaunen werden, zwar kaum die Ueberzeugung von einer Mittlerrolle des Herzens zwischen dem Hirn und den Händen geben. Wohl aber erbringt das grandios gemachte Werk wie kaum ein anderes vor ihm den Beweis, dass wir es in allen jenen Dingen, die von der Gnade des Hirnes abhängen, herrlich weit gebracht haben. "Metropolis" offenbart den Sieg der gebändigten Materie, die restlose Durchdringung des Menschenreiches mit Tatsachenwundern.
Dies macht die düstere Grösse der gedrehten Riesenstadt aus. Ihre Tragik aber ist, dass wir uns - mehr geschoben als gedrängt - auch jenseits der Welt des Kinos näher und näher an sie heranleben.
In diesem Sinne verkörpert "Metropolis" ein warnendes Memento vor einer Menschenzukunft, die, wenn Zeichen nicht trügen, keineswegs ferne liegt.
Rudolf Jeremias Kreutz
2009-02-06